Produktorientierter Barrierefreiheitstest

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Produktorientierter Test

Einordnung

Der produktorientierte Barrierefreiheitstest ist ein nicht-funktionaler Test, der die Qualitätsanforderung an die Barrierefreiheit überprüft. Weitere Qualitätsanforderungen an Software sind im Qualitätsmodell der ISO 25010 zu finden ist. In diesem Modell gehört die Barrierefreiheit zur Usability.

Die Barrierefreiheit der Webseiten, mobilen Anwendungen, elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufen und grafischen Programmieroberflächen öffentlicher Stellen ist gesetzlich vorgeschrieben. Auf Bundesebene regelt die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in Verbindung mit der BITV 2.0. Für die Länder und Kommunen gelten entsprechende Landesgesetze.

Für die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft wurde das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verabschiedet.

Die folgenden Abschnitte stellen einige etablierte Testvorgehen vor, die von vielen Expertinnen und Experten genutzt werden. Diese Vorgehensweisen sind nicht verpflichtend: Jedes andere Vorgehen, das die Anforderungen zur Barrierefreiheit vollständig überprüft, kann in gleicher Weise benutzt werden. Es empfiehlt sich allerdings, behördenweit nur ein Testvorgehen zu nutzen, um die Testergebnisse zwischen den einzelnen IT-Lösungen und den verschiedenen Versionen vergleichen zu können. Insofern machen viele öffentliche Stellen bereits Vorgaben dazu, mit welchem Vorgehen getestet werden muss und wie der Test zu dokumentieren ist.

Webinhalte & Webanwendungen

Für die Überprüfung von Webinhalten und Webanwendungen entwickelten Expertinnen und Experten der BIK den BITV-Test. Dieser misst anhand von 98 Prüfschritten, die auf der EN 301 549 basieren und damit auch konform mit der A- und AA-Stufe der WCAG sind, die Barrierefreiheit einer Webanwendung. Zu jedem Prüfschritt werden Informationen zur Zielsetzung, sowie ausführliche Erläuterungen zum Umfang und der Durchführung angegeben.

Wenn Sie weitere Informationen zum Test oder zur korrekten Umsetzung einzelner Punkte aus Abschnitt 9 benötigen, finden Sie diese in englischer Sprache auf der Seite der WCAG.

Mobile Anwendungen

Bei der Prüfung barrierefreier Angebote auf mobilen Geräten werden die bestehenden Standards/Richtlinien der EN 301 549 und der WCAG verwendet. Um diese Anforderungen zu testen, hat das BIT-Inklusiv Netzwerk ein Prüfverfahren zum Test mobiler Applikationen entwickelt. Zudem hat die W3C Web Accessibility Initiative (WAI) ein Dokument herausgegeben, welches vermittelt, wie die Richtlinien der WCAG auf Mobilgeräten anzuwenden sind.

Sonstige Desktop-Anwendungen

Die Überprüfung der BITV-Konformität basiert auf den Anforderungen aus Abschnitt 11 „Software“ der EN 301 549. Speziell zu diesem Abschnitt wurde der BIT inklusiv BITV-Softwaretest entwickelt, der sich zur Überprüfung der digitalen Barrierefreiheit von Anwendungssoftware eignet. Anhand von 75 Prüfschritten wird die Barrierefreiheit gemessen.

Wichtig: Für Web-Anwendungen oder Anwendungen, die in einer Webseite integriert wurden, gelten die Anforderungen der EN 301 549 aus Abschnitt 9 „Web“.

Höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit

Die BITV 2.0 benennt nicht, was zum höchstmöglichen Maß an Barrierefreiheit gehört.

Zum aktuellen Zeitpunkt sind die Erfolgskriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 auf Konformitätsstufe AAA laut der Bundesfachstelle Barrierefreiheit sowie der Bitcom (PDF, 92kB, nicht barrierefrei), als höchstmögliches Maß der Barrierefreiheit zu betrachten.

Daher gilt eine IT-Lösung, die diese Erfolgskriterien der WCAG 2.1 auf Konformitätsstufe AAA erfüllt, als im höchstmöglichen Maß barrierefrei.

Ein einheitliches Testvorgehen wie zu den Websites, zur Software und zu den mobilen Apps, hat sich zu den Anforderungen der AAA-Kriterien bislang noch nicht etabliert, sind also in den vorgenannten Testvorgehen nicht enthalten.

Die WCAG bietet dabei viele Informationen zu den einzelnen Anforderungen, sowie Techniken zu Test und Umsetzung. Eine detaillierte Aufstellung der Anforderungen in englischer Sprache finden sie in diesem englischsprachigen Überblick der AAA-Kriterien der WCAG.

Leichte Sprache und Gebärdensprache

Falls es sich um eine Startseite (Home) einer Website (Internet oder Intranet) handelt, muss in einem Barrierefreiheitstest überprüft werden, ob folgende Inhalte sowohl in Leichter Sprache als auch in Deutscher Gebärdensprache vorhanden sind:

  • Informationen zu den wesentlichen Inhalten der Website,
  • Hinweise zur Navigation,
  • Informationen zum wesentlichen Inhalt der Erklärung zur Barrierefreiheit,
  • Hinweise auf weitere in dem Web-Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache.

Diese Prüfschritte sind in keinem der vorgenannten Testvorgehen vorhanden.

Dokumente

EN 301 549 – Abschnitt 10

Relevant für die Anforderung an die Barrierefreiheit von Dokumenten ist der Abschnitt 10 der EN 301 549, welches sich an den Regeln der WCAG2ICT (Guidance on Applying WCAG 2.0 to Non-Web Information and Communications Technologies) sowie der WCAG 2.1 orientiert. Der Abschnitt überführt die anwendbaren Anforderungen der WCAG 2.1 in Konformitätsstufe A und AA auf Dokumente.

Momentan gibt es kein standardisiertes Prüfverfahren für diese Anforderungen (Stand: 21.12.2021). Aktuelle Informationen finden sie auf der Informationsseite der Bundesfachstelle Barrierefreiheit.

PDF-Dokumente

Für die PDF Prüfung auf Barrierefreiheit nach BITV 2.0 gibt es neben dem Abschnitt 10 der EN 301 549, auch gemäß 3 Abs. 3 BITV 2.0 den „Stand der Technik“ zu berücksichtigen. Für PDFs relevant ist die DIN ISO 14289-1 (PDF/UA Universal Accessibility), welche durch das sogenannte Matterhorn-Protokoll (PDF, 313KB, barrierefrei) validiert wird.

Zusammengefasst: Ein BITV-konformes PDF-Dokument muss die Anforderungen der EN 301 549 Abschnitts 10 „Non Web Documents“ und der PDF/UA-Standard erfüllen.

Prüfung des PDF/UA Standards

Der PDF/UA-Standard definiert die technischen Anforderungen an barrierefreie PDF-Dokumente. Dieses Prüfverfahren kann ein PDF-Dokument auf PDF/UA-Konformität (ISO 14289-1) überprüfen und bewerten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der korrekten semantischen Umsetzung der enthaltenen Elemente und Strukturen. Mehr Informationen finden Sie unter PDF/UA kompakt (PDF, 700KB, nicht barrierefrei).

Speziell zur Prüfung dieses Standards wurde das BITinklusiv PDF-Prüfverfahren entwickelt. Es überprüft in 39 Prüfschritten alle Fehlerbedingungen des Matterhornprotokolls.

Stand: 21.12.2023

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